
Vorschau 2026
Galerie KV67
06.03. - 22.03.26: CALL BACK, Cinyi Joh und Maria Grazia Sacchitelli
17.04. - 03.05.26: Linie - Farbe - Form, Ingrid Lindemann und Bernard Czychi
08.05. - 24.05.26: Kritzel - Raster - Schlangenlinien, 5 x Zeichnung im KV67, Melanie Grocki, Carmen Weber, Matthias Kohlmann, Florian Müller und Hartmut Ohmenhäuser
12.06. - 21.06.26: Abschlussausstellung, Leistungskurs Bildende Kunst, Burg-Gymnasium
26.06. - 12.07.26: Ansichten einer Welt, Barbara Lörz
19.09.26: (Schorndorfer Kunstnacht), Die Neuen
02.10. - 18.10.26: >Ma<, Vom leeren Raum zwischen den Dingen, Uta Albeck, Christine Dohms, Regine Krupp-Mez und Izumi Yanagiya
07.11. - 22.11.26: Eros und Thanatos, Eva Schwanitz
Q Galerie
10.12.25 - 25.01.26: Essenz 2025: "Narrenschiff"
Do 08.01.26 um 12:15 Uhr: Kunst-Happen, Kurzführung und Imbiss
Fr 09.01.26 um 19:30 Uhr: Lesung - Kurs Narragonien ----> Pressemitteilung
Mi 14.01.26 um 19:30 Uhr: Salon - Offenes Gespräch über Kunst und Gesellschaft
So 18.01.26 um 15 Uhr: Sonntagsführung
Fr 23.01.26 um 19 Uhr: After-Work-Führung + Sekt
So 25.01.26 um 15 Uhr: Zu guter Letzt - Führung mit Thomas Milz
Änderungen vorbehalten
Einführungsrede von Gerhard van der Grinten zur Vernissage am 08.12.2025 in der Q Galerie:
EINE FASTNACHTSSYMPHONIE
Eine schöne Muse, die Dir solches eingab!
Erasmus von Rotterdam
Der Narr verneint. Und zwar zuförderst die Dummheit der Welt. Von der es einen ganzen Haufen gibt. Und man kann ja angesichts der aktuellen Entwicklungen nur einmal mehr konstatieren, dass die Erde ein höchst fragiler Ort ist. Besiedelt mit Idioten. Nach Großwetterlage des Populismus mit Idioten geradezu titanischen Ausmaßes. Als wäre aus der Geschichte nichts zu lernen gewesen. Aber vielleicht liegt der Fall ja auch schlicht umgekehrt, dass jedem Einzelnen aufgegeben ist, aufs Neue daraus zu lernen. Und dass nicht wenige nicht lernfähig oder willens sind.
Jedenfalls spottet der Narr ebenjenen. Weswegen er den Mächtigen, oder denen, die sich dafür halten, oder denjenigen, die ihr Bisschen Macht ängstlich, neidisch um sich raffen wollen, immer suspekt gewesen ist. Die Fürsten und Despoten versuchen sich, die Narren darum possierlich zu halten. Den Frömmlern und ihren Oberhirten in der weitgehend humorbefreiten Zone ihrer Konfessionen galt der Narr von je als Unruhe stiftender Verbündeter des Dämonischen. Weil er es wagt, nachzufragen, was Gott und die Götter da denn so treiben. Nicht dass sich hinter seiner leutseligen Maske und unter seiner Kappe gelegentlich auch der bieder abgefeimte Brandstifter tarnte. Der Böse, der das Narrentum missbraucht.
Für gewöhnlich aber spielt der Narr mit vollem Risiko. Und sein Einsatz ist zuweilen hoch. Eulenspiegel, der den Zeitgenossen ja den Spiegel recht erbarmungslos vorhält, scherzt beileibe nicht immer harmlos, manchmal schrecklich, manchmal abgründig. Sein Wiedergänger Uhlenspiegel aber endet auf der Folterbank der spanischen Inquisition. Auf der die selbsterklärten Tugendsamen die in ihren Augen nicht ganz so tugendhaft Veranlagten zur höheren Ehre ihrer Unbeflecktheit seit aller Zeit zu schächten pflegen. Dem unfreiwillig Demaskierten war die Demaskierung noch selten ein Anlass zur Freude.
Vielleicht ist es darum gar nicht wirklich überraschend, dass der größte literarische Erfolg Deutscher Zunge im ausgehenden 15. Jahrhundert Sebastian Brants Narrenschiff gewesen ist. Und tatsächlich der erste Bestseller hierzulande überhaupt. Jene spitze, manchmal handfest robuste, gar nicht selten ätzende Satire auf Dummheit, Hochmut und Doppelmoral. Moralisierend, ohne doch säuerlich zu sein. Und eine Parabel auf die menschliche Existenz, die ikonisch geworden ist: Das Bild einer Gesellschaft, die lustvoll und verblendet und mit vollen Segeln dem eigenen Untergang entgegenrauscht. Im Zweifelsfall heroisch. Als wäre ganz undramatisch und heil ankommen nicht viel erfreulicher.
Der Narr als Narr selber kommt im Buch im Übrigen nur an einer Stelle vor, die übrigen Protagonisten sind hingegen ganz unfreiwillig närrisch. Auf klerikaler Seite hat Brant sich damit keine Freunde gemacht, auch nicht aufseiten der aufkommenden Abspaltler. Der populären Verbreitung hat das dennoch keinen Abbruch getan.
Und er hat eine zügige Entsprechung gefunden in Erasmus von Rotterdams Lob der Torheit, die als Betrachtung vielleicht deutlich weiser und geschliffener ausfällt: Erasmus hat den maßgeblichen Begriff der Toleranz in die abendländische Weltsicht eingebracht. Eine Idee, die die Narretei der anderen wenn vielleicht auch nicht erträglich, so doch tolerabler macht. Und dazu angetan war und ist, Mord und Totschlag zu verhindern.
Die nautische Metapher ist ja ungemein dienlich. Auf hoher See ist man in Gottes Hand. Bleibt stets die bange Frage, ob er es denn gut mit dem Schiffer meint. Seefahrt ist bis heute ein riskantes Geschäft. Will man seine Küsten verlassen, braucht es einen fahrbaren Untersatz, der Wind und Wellen standhält. Dann kann man der Reiselust nachgeben, oder dem Verdrängungswettbewerb in heimischen Gefilden, die Neugier befriedigen, entdecken. Der Mensch ist kein Wasserwesen, sowenig, wie er fliegen kann. Dennoch gibt es Luftschiffe, wenn das auch eine wesentlich jüngere Invention darstellt, als das Boot. Stellt sich die Frage: Gibt es Narrenluftschiffe?
Unschönerweise ist aber gerade die Entdeckerlust häufig, wenn nicht sogar in aller Regel einhergegangen mit Einfallen, Unterjochen, Ausplündern der Entdeckten. Ehrlicherweise hätte man den Eingeborenen in den allermeisten Fällen der Rat geben müssen: Misstraut den Fremden. Um Eures eigenen Heiles willen. Im Zweifelsfall - esst sie lieber auf. Solange Ihr noch könnt.
Und so ist die menschliche Kulturgeschichte eben auch voll von archetypischen Schiffern und archetypischen Schiffen. Als Vorbild taugen sie bei näherer Betrachtung wenig: Jason und die Argo? Ein veritabler Raubzug. Odysseus Fahrt nach Ithaka? Zehn Jahre Brandschatzen, Vergewaltigen und Meucheln an fremden Gestaden. Nachdem er in den zehn Jahren vor Troja derselben Profession nachgegangen war. Und Noah rettet ja beileibe auf der Arche nicht die Vielfalt der Arten. Im Gegenteil, er missachtet die grundlegendsten Regeln der Seenotrettung im Namen eines Gottes, der den Begriff Barmherzigkeit noch lange nicht verinnerlicht hat.
Und wer nun an die Titanic denkt, das Paradebeispiel völlig unnötig törichter und überflüssiger Selbstversenkung, der sei daran erinnert, das das bei weitem nicht die furchtbarste Katastrophe der christlichen Seefahrt darstellt. Mit der torpedierten Wilhelm Gustloff ging ein mehrfaches an Opfern in den eisigen Fluten unter.
Und doch, und doch, unwillkürlich und spontan fallen einem ja die Bilder ein, die das kollektive Gedächtnis bilden. Die Anlandungen. Columbus in der Karibik, Washington quert den Potomac, Beuys im Einbaum, übersetzend über den Rhein.
Im globalen Maßstab liegen die Dinge anders. Weiß man denn, über welche Brühe man schippert: Wasser, Brause, ein Malstrom aus Plastikmüll? Bei langsam, aber unaufhaltsam steigenden Pegeln, von und zu versinkenden Gestaden? Vom Seegetier bestaunt. Das mag sich auf der Brücke und dem Oberdeck ja komfortabel anfühlen, im Unterdeck schon weniger. Und in der Holzklasse der Galeere hat keiner die Reisenden gefragt, ob sie rudern wollen oder nicht.
Hoffahrt ist die Urtodsünde aus der alle anderen rühren. Sich über die anderen erheben, auf ihre Kosten leben, ohne an die Zukunft zu denken. Nicht umsonst ist die Hybris der Selbstüberhebung der leitmotivische Gesang des Narrenschiffes. Dessen waren sich Brant wie Erasmus gewahr. Und die Hochmütigen haben wieder Konjunktur. Dabei ist kein anderes Wesen so dämlich wie Narziss, der aus reiner Selbstverliebtheit stirbt. Hingerissen das eigene Spiegelbild im See betrachtend, unfähig, sich von sich selber loszureißen. Bis er daran verhungert und verdurstet ist. Der menschlichen Spezies schreibt man gemeinhin Vernunft zu. Und dennoch ist sie die einzige in der Geschichte des Planeten, die ihre eigene Biosphäre nachhaltig zu vernichten im Begriffe steht.
Was kann da die Kunst? Sich in Schweigen bescheiden, weil ja sowieso doch alles eitel und vergänglich ist? Sicher nicht. Es war stets besser produktiv als disruptiv zu sein. Und Dinge dennoch machen. Ein Bäumchen gegen den Weltuntergang setzen, ist immer noch ein guter Anfang. Im Übrigen wäre Aufgeben nichts als ein Akt der Feigheit. Die Künste schließlich sind der Form, des Bildes und des Stoffes mächtig. Und wenn man in diesem Zusammenhang den Standpunkt verteidigt, Kunst dürfte darin auch einfach schön sein, so sei daran erinnert, dass es genügend Zeitgenossen gegeben hat und gibt, denen Schönheit eine persönliche Beleidigung ist. Bilder können sichtbar machen und entlarven. Übrigens ein feines Synonym für die Maske: die Larve. Denn was sich maskiert, muss ja nicht die Wahrheit gewesen sein. Abgefeimte Absicht kann man bloßstellen. Schon gar die der geltungsgeilen Kretins auf der Brücke.
Darum findet sich hier das ganze Arsenal der Ikonografie wieder, die metaphorischen und emblematischen Zeichen, Schiff, Schicksalsrad und Karussel. Ein jedes, wie es dem stofflichen Zugriff, den Mitteln und der Gedanklichkeit ihrer Schöpfer zupass kommt. Trotzig manchmal, manchmal mahnend, spottend, auch wenn der Spott zuweilen bitter ausfällt. Der Narr ist kein Comedian, wenn er die Wahrheit spricht, er ist von Haus aus Moralist. Und das kann schmerzlich für beide Seiten sein.
Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
Kunst aber ist der Proviant des Geistes auf der Fahrt.
7.XII.2025












